Fragen zum Buddhismus, beantwortet von Rev. Jan Marc Nottelmann-Feil (Shaku Jōchi)
aus: EKŌ-Blätter Heft 32 (Herbst 2022), S. 12-13 pdf-Datei

Was wird im Buddhismus verehrt?
Der Buddha. – Aber so einfach ist es nicht. In der Umgangssprache versteht man unter „Buddha“ den Begründer des Buddhismus, Siddhartha Gautama, der vor zweieinhalbtausend Jahren in Zentralindien wirkte. Warum sollte man ihn verehren? Wenn ein Buddhist sagt: „Ich nehme Zuflucht zum Buddha!“, so nimmt er sich vor, den Weg des Buddha zu gehen und die Buddhaschaft zu erlangen. Er möchte also das Ziel der Lehre, die der Buddha verkündet hat, erreichen. In buddhistischen Tempeln und auf buddhistischen Altären findet man immer eine Buddhastatue, einen hohen Bodhisattva oder Ähnliches. Wenn ein Buddhist oder eine Buddhistin sich davor verneigt oder eine Zeremonie mit dieser Statue im Zentrum stattfindet, so vergegenwärtigt diese das angestrebte Ziel.

Welche Texte sind für den Buddhismus von besonderer Bedeutung?
Keine Religion auf der Welt hat so viele heilige Texte, die als Wort des Religionsstifters gelten, wie der Buddhismus. Es gibt umfangreiche Sammlungen der Worte des Buddha in Tibetisch, Chinesisch und Pāli (einer mittelindischen Sprache), die sich stark unterscheiden. In Japan greift man auf die chinesischen Sūtras zurück. Jede buddhistische Schule hat eine Auswahl von Sūtras, die sie für die wichtigsten hält. Im Zen-Buddhismus gelten das Herz-Sūtra und das Lankavatara-Sūtra als Hauptsūtras, im Tendai- und Nichiren-Buddhismus das Lotos-Sūtra, im Shin-Buddhismus die drei Reines-Land-Sūtras usw.

Sollte man als Buddhist Vegetarier sein? Gibt es besondere Essensregeln?
Nach den ältesten Ordensvorschriften sollte der buddhistische Mönch alles essen, was er erhält, aber nicht das Fleisch von Tieren, die seinetwegen geschlachtet worden sind. Noch heute ist es einem singhalesischen Bettelmönch nicht erlaubt, eine Fleischgabe zurückzuweisen. Wenn das Tier jedoch „ihm zu Ehren“ sterben musste, darf er sein Fleisch nicht anrühren. In den buddhistischen Klöstern Japans verzichtet man auf den Fleischkonsum und hat eine sehr gesunde vegetarische Küche entwickelt (siehe dazu EKŌ-Blätter, Heft 30 (2020), S. 9-11). Die buddhistischen Laien halten sich allerdings nur an besonderen Tagen an diese vegetarische Kost. Verzicht auf Fleisch und Fisch verlangt Entschluss-kraft. Er beinhaltet eine Form von Gewaltverzicht, und das bedeutet geistige Reinigung, die hauptsächlich demjenigen zugutekommt, der sie übt. Der Buddhismus empfiehlt darum nachdrücklich, sich um Fleischverzicht zu bemühen.

Wie wird man Buddhist?
Indem man den Weg des Buddha geht. Ein Fischer wird man dadurch, dass man Fische fängt, und ein Jäger dadurch, dass man jagt. So soll der Buddha diese Frage beantwortet haben. Trotzdem gibt es Zeremonien, die den Übergang in die buddhistische Gemeinschaft markieren. Die meisten buddhistischen Schulen kennen die Zufluchtszeremonie für Laien und die Ordinationszeremonie für Mönche und Nonnen. Diese Zeremonien gehen jeweils mit dem Versprechen einher, sich an die für Laien bzw. Ordinierte bestimmten Ordensregeln zu halten. Der Shin-Buddhismus nimmt eine Sonderstellung ein, weil er bei diesen Übergangsriten nicht mehr von diesen Ordensregeln spricht. Aber auch er kennt eine Art Konfirmationszeremonie für Laien (kikyōshiki) und die Ordinationszeremonie (tokudo). Die Ordinierten nennt man auch im Shin-Buddhismus sōryo (wörtlich: Mönch), aber man übersetzt dieses Wort, weil es nicht mit dem Zölibat verbunden ist, angemessener mit Priester oder Priesterin.

Was muss man als Besucher eines buddhistischen Tempels beachten?
In einem Tempel wie dem EKŌ-Tempel muss der Besucher nichts beachten als das, was auch beim Betreten einer christlichen Kirche selbstverständlich ist. Wie in jedem sakralen Raum soll man durch seine Körperhaltung und Bekleidung einen gewissen Respekt ausdrücken. Außerdem sollte man möglichst Stille bewahren. Darüber hinaus gibt es einige altehrwürdige Etiketten, die im Buddhismus sehr weit verbreitet sind. So soll man einem Altarbild nie die Füße entgegenstrecken – dies könnte zum Beispiel geschehen, wenn man in einem Tempel auf dem Boden sitzen muss. Man soll einer Buddhastatue nie den Rücken zeigen und religiöse Schriften, z.B. die Andachtsbücher, nicht auf den Boden legen. Bei Zeremonien kann man gut beobachten, wie streng sich die Priester und Priesterinnen an solche Etiketten halten. Sie führen beispielweise einen Fächer mit, den sie jederzeit als Ablage für ihr Andachtsbuch gebrauchen können. Für Laien gilt zumindest das Selfie mit einer Buddhastatue im Rücken als unfein. Aber auch in asiatischen Ländern sieht man das allzu oft.

In welcher Sprache finden Zeremonien im EKŌ-Tempel statt?
Die Hauptrezitation geschieht auf Sino-Japanisch. Darunter versteht man ein mit japanischen Silben ausgesprochenes Chinesisch. Weil in Ostasien Chinesisch die Sprache der buddhistischen Überlieferung ist, könnte man Sino-Japanisch als eine Art Kirchensprache bezeichnen. Gerade weil die Worte solcher Sprachen altertümlich wirken und nicht spontan-verständlich sind, spürt man, dass sie zeitlos gültig sind und sich nicht ans flüchtige Denken richten. Wenn die Priester den Altarbereich verlassen haben, ist die Zeit für die buddhistische Ansprache (hōwa) gekommen. Diese findet in der Umgangssprache der Zuhörer statt, also meistens auf Japanisch, im EKŌ-Tempel aber auch auf Deutsch.

Kann bzw. darf man an einer buddhistischen Zeremonie teilnehmen, auch wenn man kein Buddhist ist?
Wenn buddhistische Zeremonien nicht für Privatleute veranstaltet werden, sind sie immer eine öffentliche Angelegenheit. Jeder, der daran teilnehmen möchte, kann dies auch tun. Für das Kommen und Gehen gelten keine anderen Regeln des höflichen Respekts als bei einem christlichen Gottesdienst auch. Oft findet nach buddhistischen Zeremonien noch ein gemeinsames Teetrinken statt, zu dem ebenfalls alle Besucherinnen und Besucher eingeladen sind. Allerdings ist wegen der Corona-Lage gegenwärtig vieles im EKŌ-Tempel nicht möglich. Man sollte sich im Voraus über die augenblicklichen Bestimmungen informieren.